Als Neophyten bezeichnet man Pflanzenarten oder Sorten, die ein Gebiet bewohnen, in dem sie zuvor nicht natürlich vorgekommen sind. In Europa gelten Pflanzen im Allgemeinen dann als Neophyten, wenn sie nach der Entdeckung Amerikas durch Columbus eingebürgert wurden. Dieser Zeitpunkt ist zwar willkürlich gesetzt, hat aber damit zu tun, dass es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Europa zu einer starken Zunahme des Fernhandels und damit auch zu einer vermehrten Ein- und Ausfuhr von Pflanzen aus den neu entdeckten Gebieten unserer Erde gekommen ist.

Impatiens glandulifera

Das Drüsen-Springkraut – eine ausgezeichnete Pollen- und Nektarquelle für Honigbienen im Spätsommer © Michael Rubinigg

Nach einem Bericht des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2002 gelten in Österreich 27% der etwa 4000 Gefäßpflanzenarten als Neophyten. Etwa 10% dieser Neophyten sind in großen Teilen Österreichs ein fester Bestandteil der Flora. 14 Neophyten verursachen wirtschaftlich bedeutende Schäden. 17 Neophyten gelten aus naturschutzfachlicher Sicht als invasiv, da sie in naturnahe Lebensräume eindringen und diese verändern. Weitere 18 Neophyten werden als potentiell invasiv eingestuft. Bei etwas weniger als 60% aller Neophyten handelt es sich um bewusste Importe, etwa ein Drittel wurde unabsichtlich eingeschleppt.

Neophyten, die sich in bestimmten Gebieten ausbreiten, treten in Konkurrenz zu wild lebenden einheimischen Pflanzenarten oder Nutzpflanzen. Dadurch können einheimische Arten verdrängt, oder Nutzpflanzen in ihrer Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt werden. Manche Neophyten verursachen gesundheitliche Probleme, etwa Pollenallergien. Sofern Fremdbestäubung bei der Ausbreitung bestimmter Neophyten eine Rolle spielt, können Honigbienen als ausgesprochene Nahrungs-Generalisten bei der Ausbreitung dieser Pflanzen mitwirken. Handelt es sich bei den Pflanzen um lukrative Trachtquellen, wurde und wird ihre Ausbreitung bisweilen von Imkern gefördert.

Schlitzblatt-Sonnenhut © Michael Rubinigg

Robinia_pseudacacia

Robinia pseudacacia © Yuriy-Kvach (Wiki Commons)

Der für die österreichische Imkerei zweifellos bedeutendste Neophyt ist die Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudacacia). Sie wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus ihrer nordamerikanischen Heimat nach Europa gebracht, wird seitdem als Forstbaum angepflanzt und ist vor allem in wärmeren Regionen Österreichs verwildert. Aufgrund ihrer Symbiose mit Knöllchenbakterien ist die Robinie gegenüber anderen Pflanzen bei geeigneten Umweltverhältnissen extrem konkurrenzfähig, bewirkt eine starke Überdüngung des Bodens mit Stickstoff und verändert dadurch bestehende Pflanzengesellschaften. Deshalb wird sie aus naturschutzfachlicher Sicht als invasiv mit negativer wirtschaftlicher Bedeutung eingestuft. Andererseits liefert die Robinie eine wertvolle Nektartracht und wirkt sich somit äußerst positiv auf die Frühjahrsentwicklung unserer Bienenvölker aus. Kommt sie in größeren Beständen vor, ist die Gewinnung eines qualitativ hochwertigen, sortenreinen Honigs, des Akazienhonigs, möglich.

Der Götterbaum (Ailanthus altissima) wird in Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Zier- und Forstbaum kultiviert. In warmen Gebieten verwildert er häufig. Das Ursprungsgebiet des als invasivb eingestuften Baumes ist China, wo er als Holzlieferant und Nahrungspflanze für Seidenraupen genutzt und in der Volksmedizin eingesetzt wird. In Europa wurde der Götterbaum erstmals in den 1740er Jahren eingeführt. Noch in den 1950er Jahren wurde er im Burgenland großflächig in Windschutzgürteln angepflanzt. Er ist vor allem in Städten eine wichtige Trachtquelle, wobei sogar die Gewinnung sortenreinen Honigs möglich ist. Honig vom Götterbaum hat anfänglich einen unangenehmen Geschmack, der sich mit der Zeit aber zu einem sehr schmackhaften, würzigen Aroma wandelt.

Ailanthus altissima

Götterbaum-Bestand am Stadtrand von Graz – eine ausgezeichnete Trachtquelle für Honigbienen © Michael Rubinigg

SOlidago canadensis

Honigbiene sammelt Pollen auf Blüten der Kanadischen Goldrute © Michael Rubinigg

Um den Mangel an Pollenangebot im Hoch- und Spätsommer zu verbessern, werden von Imkern gerne die aus Nordamerika stammende Riesen-Goldrute (Solidago gigantea), die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis), sowie der Schlitzblatt-Sonnenhut (Rudbeckia laciniata) als Trachtquelle genutzt. Das in Indien und im Himalaya-Gebiet heimische Drüsen-Springkraut (Impatiens glandulifera) und der im Kaukasus beheimatete Riesen-Bärenklau (Hieracium mantegazzianum) sind sehr gute Nektarquellen. Alle diese Pflanzenarten werden aus naturschutzfachlicher Sicht als invasiv eingestuft und verursachen zum Teil auch wirtschaftlich relevante Schäden.

Die hier erwähnten Beispiele sollen Imker anregen, sich beim Anpflanzen von Trachtpflanzen über mögliche negative Auswirkungen zu informieren. Sie sollen aber auch Naturschützer dazu bewegen, die Strategie gegenüber bestimmten Pflanzenarten, etwa der Robinie, die für die heimische Imkerei eine wertvolle Trachtquelle darstellt, zu überdenken. Wäre es nach hunderten von Jahren nicht an der Zeit, bestimmten Pflanzenarten das humanitäre Bleiberecht zu gewähren?